Texte verfassen: Wie persönlich darf es sein?

 

Genauso wie im mündlichen Gespräch musst du bei einem schriftlichen Text entscheiden, wie du dein Gegenüber (den Leser, die Leserin) anredest, welchen Ton du wählst und was du von dir selbst preisgibst. Kurz: Wie persönlich willst du werden?

Du-Anrede, Sie-Anrede - wie persönlich darf dein Text sein
Textbüro Blog | Wie persönlich darf es sein? | Bildquelle: pixabay.com, cromaconceptovisual

Du-Anrede, Sie-Anrede - was für einen Unterschied macht das schon?

Einen großen! Die Anrede und die Perspektive definieren, welche Beziehung der Text zu den Leserinnen und Lesern aufbauen soll. Sie beeinflussen das Lese-Gefühl und bestimmen die Wahrnehmung der Identität hinter dem Text. Wenn ich ein Text-Konzept für ein neues Projekt verfasse und das Briefing schreibe, gehören die Text-Anrede und -Perspektive daher zu den absoluten Basics, die festgelegt werden müssen. Auch du solltest dir vor dem Schreiben gut überlegen, welche Kombination für dich passt und dich dann daran halten. 

 

Für eine erste Übersicht und als kleine Denkhilfe findest du hier grob die Wirkung der unterschiedlichen Kombinationen:

  • Formulierst du neutral OHNE jede direkte Anrede (Sie, Du, Ihr, etc.) und ohne persönliche Perspektive (ich, wir, mein, unser, etc.), stellst du das Thema des Textes in den Vordergrund. Neutralität vermittelt keine persönliche Meinung, kein menschlich-fehlbares Urteil, sondern tendiert in Richtung ‚übergeordnete Wahrheit‘ à la Lexikon. Gepaart mit einer sachlichen Tonalität ist diese Form ideal für Texte, die Seriosität, Fachwissen, nackte Information und eine neutrale Auseinandersetzung mit einem Thema vermitteln sollen. Stichwort: journalistische Indifferenz.
  • Redest du mit deinem Text jemanden direkt an, wird es sofort eine Spur persönlicher, die Aufmerksamkeit steigt, weil es in dem Text, den man liest, auch irgendwie um einen selbst geht, Handlungsimpulse werden angeregt und eine Beziehung hergestellt. Das ist für alle werblichen und auf Social Media ausgerichteten Verwendungen typisch. Dabei gibt es natürlich verschiedene Stufen und Kombinationsmöglichkeiten:
  • eine Sie-Form bei der Anrede wirkt respektvoll, höflich distanziert, erwachsen; zusammen mit einer neutralen Text-Perspektive ist die Wirkung allgemein aktivierend, mit einer persönlichen Ich-Perspektive beziehungsherstellend auf einer geschäftlich-professionellen Ebene
  • die persönliche Anrede in der Du- oder du-Form wirkt nahbar, freundschaftlich, auf Augenhöhe, jung – das klein geschriebene ‚du‘ verringert auch im Schriftbild die Distanz – noch weiter verringert wird die Distanz durch eine persönliche Text-Perspektive (z. B. ich)
  • mit dem persönlichen Plural Ihr oder ihr, Euch oder euch wird eine Mehrzahl an Personen angesprochen und geeint – gepaart mit einer klar definierten Ich-Perspektive ist diese Form z. B. typisch für Bloggende mit einer etablierten (oder noch erträumten) Fan-Base oder für Unternehmen, die besonders nahbar wirken wollen; kombiniert mit Pathos und eine neutralen Perspektive wirkt es leicht predigend
  • mit einer wir-Anrede wirkt dein Text einend, einschwörend, maximal nahe – das Wir als persönliche Anrede verwenden zum Beispiel Führungspersönlichkeiten, die ihr Team emotional erreichen und anspornen wollen, Motivationscoaches, Verschwörungstheoretiker:innen oder Aktivisti:innen
  • Redest du mit deinem Text niemanden an, nimmst aber das persönliche Ich eines Einzelnen oder das Wir eines Unternehmens ein, geht es meist vorrangig um die Mitteilung von Informationen über dich oder dein Unternehmen. Dein Text vermittelt, dass Einblicke auf einer persönlichen, nahbaren Ebene gewährt werden, ohne dafür im Gegenzug etwas zu wollen. Diese Kombi aus neutraler Anrede und subjektiver Perspektive ist z. B. typisch für „Über mich“-Seiten oder Unternehmensprofile und -berichte.

 

Welche formale Kombination passt für dich?

Persönliche Anrede und Text-Ich - welche Kombination ist für dich richtig?
Du-Anrede, Sie-Anrede ... was passt zu dir? | Bild © Britta Stender

 

Bevor du für eine Webseite, eine Broschüre oder für sonst irgendetwas anfängst einen Text zu verfassen, überlege dir grundsätzlich, welche formalen Regeln für deinen Text gelten sollen. Dazu gehört natürlich auch die Entscheidung, ob du oder dein Unternehmen im Text als erzählendes Ich in Erscheinung treten sollen. Um diese Entscheidung zu treffen, muss man eigentlich nur mal kurz in sich hineinhorchen. Was fühlt sich für dich richtig an und passt zu deiner Zielgruppe und deiner "Text-Mission"? Ein Du, ein Sie, ein Ihr oder ein neutrales "man"? Ein Ich, ein Wir, der Name des Unternehmens oder eine neutrale Perspektive?

Wähle die Anrede und Text-Perspektive dann so, dass der Text einen authentischen Eindruck vermittelt und die richtigen Leute richtig anspricht. Wenn du damit Schwierigkeiten hast, stelle dir deine Zielgruppe und das Ich hinter dem Text einfach mal als konkrete Personen in einem Gespräch vor. Wie würden sie miteinander reden?

 

Berücksichtige bei diesen Überlegungen auch, dass es verschiedene Möglichkeiten der Schreibung und Formatierung gibt. Wenn du ein Unternehmen nennst, wie soll der Unternehmensname im Text in Erscheinung treten? Als Normal-Text oder auffällig hervorgehoben durch Versalien, Großbuchstaben, Fettung oder Kursivsetzung? Reduziert oder in der vollständigen Rechtsform ausgeschrieben? Oder auch als verkürzte Web-Adresse (auf wortopolis.de ...)? Du siehst, es gibt wirklich zahlreiche Möglichkeiten. Gerade deswegen wichtig: Achte auf Einheitlichkeit! Denn egal ob persönlich oder neutral – Einheitlichkeit ist die Basis jedes professionell verfassten Textes.

 

Zum Inhalt: Wer bist du und was willst du von dir preisgeben?

 

Neben der formalen Entscheidung für Anrede und „Stimme“ deines Texte (so nennt man es in bestimmten Erzähltheorien nach der Frage: „Wer spricht?“) beschreibt das Adjektiv „persönlich“ deinen Text auch auf einer inhaltlichen Ebene: Wie freimütig lässt der Text Leserinnen und Leser an privaten Ereignissen, Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen teilhaben? Wie weit lassen sich Unternehmen in die Karten blicken und gewähren einen Einblick hinter die Kulissen?

Auch hier gilt es, sich im Vorfeld der Textproduktion Gedanken zu machen und dir folgende Fragen zu beantworten:

  • Was ist die Zielsetzung des Textes / der Texte? Was soll er mir / was oder wozu soll er die Leserinnen und Leser bringen?
  • Was passt zu mir / zu meinem Unternehmen? Wie viel Öffentlichkeit ist für mein Privatleben / meine Firmenentscheidungen in Ordnung?
  • Wie will ich / soll mein Unternehmen wirken?
  • Wie fühle ich mich dabei, vollkommen Fremden etwas Persönliches über mich zu erzählen?
  • Kann ich auch mit negativen Kommentaren und Reaktion umgehen?

 

Berufliche Texte persönlich? Hängt davon ab, wie du arbeitest

Wie persönlich dürfen Business-Texte sein?
Wie persönlich dürfen Business-Texte sein? | Bildquelle: pixabay.com, Bru-nO

 

Persönlich im Sinne von privat gilt sprachlich als Gegensatz zu beruflich. Geht trotzdem beides zusammen? Ja, wenn du deine Arbeit nicht strikt von deinem Privatleben trennst. Unsicher, ob das auf dich zutrifft? Du erkennst es z. B. daran:

  • Dir ist es schonmal passiert, dass aus einer Geschäftsbeziehung eine Freundschaft wurde.
  • Du fragst bei geschäftlichen Gesprächen nach, wie das Wochenende deines Gegenübers war, ob es Pläne für Feiertage gibt, erzählst von Urlauben oder bringst Anekdoten aus deinem Alltag ein.
  • Du lachst viel in geschäftlichen Gesprächen.
  • Es kommt vor, dass dir deine Geschäftspartner von ihren Familien oder von persönlichen Problemen erzählen.

Wenn du so arbeitest, ist es authentisch (und authentisch ist gut!!!), wenn auch deine Texte einen deutlich erkennbaren persönlichen Anstrich haben.

 

Arbeitest du dagegen bevorzugt sach- und themenfokussiert? Vermeidest du, irgendetwas aus deinem Privatleben zu erzählen? Antwortest du auf Fragen nach deinem Befinden, deinem Wochenende oder ähnlichem möglichst neutral? Dann sollten deine Texte nichts Gegenteiliges versprechen. Sei im Ton freundlich und höflich, aber bleibe in deinem Profil sachlich.

 

Ich gehöre mit meinem Textbüro eher in die zweite Kategorie – meine Aufmerksamkeit gilt stets voll und ganz dem Projekt. Deswegen sind meine Textbüro-Seiten mit einer „Sie“-Anrede und in der Ich-Perspektive eines Ein-Personen-Unternehmens geschrieben und beschränken sich inhaltlich ausschließlich auf meine beruflichen Qualifikationen und Ansichten. Im Blog wechsele ich in das klein geschriebene „du“, weil es mir wichtig ist, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe mein Fachwissen zu teilen. Inhaltlich bleibt es dabei aber rein beruflich, und dreht sich um alles rund ums Wort. Mein Textbüro heißt nicht umsonst „Wortopolis“.

 

Wie händelst du das mit dem Persönlichen in deinen Texten? Oder welche Form ist dir beim Lesen am angenehmsten? Schreibe deine Erfahrungen oder deine Meinung gerne in die Kommentare!


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Dr. phil Britta Stender

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