Ob beim Epilieren der Beine, einem
schweißtreibenden Workout oder der kalorien-, fett-, kohlehydrat- und geschmacksarmen Mahlzeit – regelmäßig rechtfertigt die Redewendung
„Wer schön sein will, muss leiden“ das leicht masochistische Verhalten im Dienste der eigenen Optik. Im Umkehrschluss ist uns jemand, der ganz ohne Diät, Sport und Kosmetik schön ist von Grund
auf suspekt. Das ist so ungerecht!
Ich muss zugeben, ich finde ja schon Mütter mit flachem, straffem Bauch verdächtig. Lange dachte ich, dass sowas gar nicht möglich sei. Doch meine Studien in Schwimmbad & Co. haben ergeben: Es gibt sie tatsächlich. Und zwar auch abseits der High Society Prominenz, der man ja auch gerne zutraut, direkt nach der Geburt vom Kreissaal aus kurz mal in den OP rüberzurollen, um eine Bauchstraffung vornehmen zu lassen. (Eine Theorie, an der ich mich auch weiter festklammern werde ...) Nichtsdestotrotz haben meine Bademodenstudien unter ‚Leuten wie du und ich‘ gezeigt, dass die Redewendung „Wer schön sein will, muss leiden“ äußerst selektiv vorgeht. Die Einen müssen für ihre Schönheit definitiv mehr tun als die Anderen. Mehr hungern, mehr schwitzen, mehr pflegen. Und manche erreichen trotz allen Leidens kein Ergebnis, das nach landläufigem Verständnis wirklich schön ist. Die Gene lassen sich nunmal nicht verleugnen. Auch eine Form der sozialen Ungerechtigkeit.
Aber es gibt Hoffnung, die uns eine andere Redewendung schenkt: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Oder auch der sprichwörtliche Rettungsanker für alle, bei denen selbst die größten Anstrengungen nichts mehr rausreißen: „Wahre Schönheit kommt von innen.“ Großartig!
Konzentrieren wir uns einfach darauf. Denn mal ehrlich: Dieser Schönheitskult ist doch eigentlich sehr seltsam. Da strampeln und hampeln sich die Fitnessjünger à la Detlef D. Soost für einen gestählten Körper ab, reduzieren den sinnlichen Genuss ihrer Essens auf den rein funktionellen Wert für den Körper und geben unter Umständen auch Unsummen für Schönheitsprodukte aus – und wofür?
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Ist es eine neue Form der
Askese im Sinne altindischer Fakire? Statt über glühende Kohlen wandelt man über ein Heer innerer Schweinehunde: und noch ein Hardcore-Trainingsintervall mehr. Ein, zwei,
drei, vier – zieh' durch, du schaffst das. Burn,
Baby, burn – der Geist siegt über den Körper und
die Macht ist mit dir, Luke.
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Oder ist es ein Kennzeichen für
die Egozentrik unserer Zeit? Kreative, schöpferische Impulse werden einfach auf sich selbst umgeleitet. Der eigene Körper wird unversehens zur altgriechischen Skulptur, dem
Mittelpunkt des eigenen Universums, dem man sich voller Hingabe widmet. Ausdefinieren ist das neue Meißeln. Und was verbirgt sich dahinter? Eine gewisser Überdruss an den Möglichkeiten der
Moderne? So etwas wie Sinnverlust oder um es etwas hochgestochen zu formulieren: metaphysische Entwurzelung? Einsamkeit? Es denke jeder An-sich-selbst-Kunst-Schaffende einmal darüber
nach...
- Oder sind mal wieder die Medien Schuld? Gruppenzwang und Selbstwert-Bedrohung durch Hochglanz-Bilder mit perfekten und nahezu unverhüllten Körpern, die uns im Fernsehen, im Internet, auf Plakaten und in Zeitschriften geradezu mit Schönheitsidealen überfluten? Denn wer ist schon über den grundlegenden Impuls erhaben, sich mit Anderen zu vergleichen? Jetzt ist nur die Frage, was mit dem unter Umständen niederschmetternden Vergleichsergebnis anfangen? An der Optik arbeiten, um sich dem Ideal anzunähern oder am Selbstwert arbeiten, um die Zufriedenheit mit sich selbst von den Photoshop-Bildern der kunterbunten Medien-Scheinwelt zu befreien? (Das ist übrigens definitiv keine Aufforderung, sich auf die Couch zu setzen, Chips in sich hineinzustopfen und seine langsam verstopfenden Aterien mit einem "Ich bin ganz toll so wie ich bin" zu ignorieren...)
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Es ist auch möglich, dass es ein
Ausdruck von Hilflosigkeit ist. Wenn ich schon mein Leben nicht so gestalten kann, wie ich will (Postkartenspruch: "Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist,
andere Pläne zu machen"), dann konzentriere ich mich auf das, was ich beeinflussen kann: meinen Körper. Das gibt Kontrolle und Halt. Fitnesskult quasi als Stein in der
Brandung...
- Oder ist der Fokus auf Körper und Gesundheit eine radikale Kampfansage mit sozialpolitischen Dimensionen? Ideale: Disziplin, Leistung, kritisches Konsumbewusstsein. Na ja, solange es keine Bewegung wird, die Andersdenkende ausmerzen will und Slogans aller "hart wie Kruppstahl" verbreitet, bittesehr.
Fakt ist, ich schau‘ mir auch gerne
schöne Menschen an und habe eine ausgeprägten Sinn für Ästhetik. Wenn ich in den Spiegel schau, freue ich mich über ein schönes Bild und keines, das mir für den Rest des Tages die Laune verdirbt.
Gesundheit ist gut, Disziplin, Selbstachtung – alles toll. Aber es gibt eine Grenze, hinter der man sich selbst verliert, hinter der es nur noch um Hülle und Funktion geht. Sobald man jedes
Zeichen der Zeit ablehnt und versucht, seine Erscheinung möglichst vollständig zu konservieren ("Ich will so bleiben wie ich bin, Du darfst" lalala – da sieht man mal wieder, wie sich
Marketingsprüche im Hirn einnisten...), sollte man sich bewusst machen, das die zentrale Triebfeder des Lebens Entwicklung ist. Es lebe die "wahre Schönheit" von Gut-Menschen, die auch Falten
oder einen dicken Bauch überstrahlt. Wahre Schönheit kommt nämlich wirklich von innen!
Welche Einstellung hast du zu deinem Gesicht und Körper? Wie wichtig ist dir ein gepflegtes Äußeres oder ein trendiger Style? Teile deine Ansichten gerne in den Kommentaren!
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