Vertrauen als Herausforderung für den intelligenten Menschen

Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen war ich von Vertrauen geradezu beseelt. Eher kurze Zeiten. Na gut. Vielleicht waren es auch nur Momente.

In denen fühlte es sich an, als strahle ein goldenes Licht in mir und als wären meine inneren Kraftreserven bis zum Anschlag gefüllt. Alles war von Sicherheit und Zuversicht erfüllt und ja ... so säuselnd-verstrahlt es sich anhören mag ... von Liebe. 

Und genau da haben wir das Problem. Als Wissenschaftlerin und Journalistin finde ich es ziemlich schwer, zu säuselnd-verstrahlten Zuständen zu stehen und mich selbst darin ernst zu nehmen. Und wenn man sich gar erst nach verbreiteter esoterischer Praxis von einer dauerhaften (!) inneren Einstellung des Vertrauens und der Liebe zu überzeugen versucht, hat das für kritisch denkende Menschen wie mich schnell den unangenehmen Beigeschmack von Selbstverarsche. 

Die bekannten "Bestellungen beim Universum", die Praxis von "Affirmationen" - alles geht davon aus, dass man etwas gedanklich formuliert und dann im inbrünstigen Vertrauen fühlt. Schon materialisiert es sich zu einer neuen Realität. Das klingt doch eher nach etwas, das einem ein Sekten-Guru erzählen würde. Mit anderen Worten: nach totalem Bullshit.

Dennoch haben diese kurzen Momente des Vertrauens in meinem Leben tatsächlich zu vollkommen wahnwitzigen, unrealistischen Entwicklungen geführt. Ein rundum gutes Lebensgefühl gab es on top. Auch kenne ich wirklich viele logisch fundierte, in Untersuchungen belegte Argumente für diese vertrauensvolle Lebenshaltung. Um nur einige Stichworte zu nennen: "selbsterfüllende Prophezeiung", "Empowerment", "selektive Wahrnehmung". Ich bin also eigentlich rundum davon überzeugt, dass Vertrauen die richtige Art und Weise ist, das Leben anzugehen.

 

Was also spricht wirklich gegen Vertrauen? Warum fühlt es sich so leicht nach Naivität, Dummheit oder Verantwortungslosigkeit an?

 

Möglicherweise ist der Grund der globale Angstvirus, der gezielt verbreitet wird, um Geld und Macht zu generieren. Angst, die über eine auf sie ausgerichtete Berichterstattung und ein "Framing" der Mächtigen virusartig die allgemeine Sozialisation infiziert. Generation für Generation. Von klein auf wird man so auf die Begrenztheit von Ressourcen, die Bosheit der Menschen, die potenzielle Gefahr im Fremden sozialisiert. Überall droht Betrug, Gewalt, Gefahr. Vor diesem Hintergrund ist Vertrauen dann natürlich naiv, dumm und verantwortungslos. Was auch sonst?!

Ob das aber alles wirklich so gefährlich ist, wie man glaubt, und man jederzeit potenziellem Betrug, Verlust und Schmerz ausgesetzt ist, kann man eigentlich gar nicht wissen.

Natürlich hat man seine eigenen persönlichen Erfahrungen gemacht. Aber aus was für einer Einstellung und Erwartung heraus (s. selbsterfüllende Prophezeiung)? Wie wären diese Erlebnisse ohne eine vorhergehende Angst-Sozialisation verlaufen?

Und wie geht es auf der weiten, weiten Welt wirklich zu, jenseits dessen, was wir mit eigenen Augen überprüfen können? Tja, dazu liefern uns die (sozialen) Medien die Informationen, die - da muss man sich nichts vormachen - mit Angst einfach am meisten Aufmersamkeit erzielen und verdienen und sagen: Vertrauen ist dumm, naiv, verantwortunglos.

 

Blöd. Denn ohne Vertrauen wird das Leben nicht wirklich besser.

 

Um also dem Gedanken "Und was, wenn doch etwas Schlimmes passiert" den aggressiv-gleichgültigen Mittelfinger zu zeigen und dennoch zu vertrauen, hilft es nur, sich bewusst dafür zu entscheiden. Man muss beharrlich dranbleiben, um die gelernte Anti-Einstellung gegenüber dem Vertrauen wieder zu ver-lernen. Doch wenn das gelingt, wird man belohnt, mit dem immer häufiger vorherrschenden säuselnd-verstrahlten, ganz und gar offenherzigen und friedlichen Zustand der Vertrauens-Seligkeit.

 

Und jetzt stell dir mal vor, das würden alle Menschen auf dieser Welt tun.

 


Ich habe oben Einiges genannt, das nicht unbedingt selbsterklärend ist. Wie gesagt, im Denkraum gibts nur "Skizzen". Daher hier einige sehr kurze Erklärungen (über eine beliebige Suchmaschine findest du leicht mehr Infos dazu):

Bestellungen beim Universum: Beststeller von Bärbel Mohr - ein "Handbuch zur Wunscherfüllung"

Affirmationen: bewusst positiv formulierte Aussagen, die zur einer entsprechenden Veränderung führen

selbsterfüllende Prophezeiung: gut untersuchter sozialer Mechanismus, nach dem eine geglaubte Vorhersage selbst ihre Erfüllung bewirkt

Empowerment: Prozess der Selbstbemächtigung

selektive Wahrnehmung: Man sieht nicht alles, was da ist, sondern nur das, was zu den eigenen Einstellungen, Erwartungen, Erfahrungen etc. passt

Framing: der gleiche Inhalt kann je nach Art der Formulierung zu vollkommen verschiedenen Wirkungen führen

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